Die HCV-Eliminierungsziele kann Deutschland auf dem bisherigen Weg bis 2030 nicht erreichen
Anlässlich des Welt-Hepatitis-Tags am 28. Juli wirbt die Aidshilfe NRW um mehr Wissensvermittlung insbesondere zur Behandlung von Hepatitis C. Während das Wissen um die Impfung gegen Hepatitis A und B bereits gut verbreitet ist und von den entsprechenden Risikogruppen angenommen wird, ist es bei der Hepatitis C weit komplizierter. Gegen HCV gibt es keine Impfung und Wissen über die aktuelle Behandlungsmethode ist wenig verbreitet. Deshalb wollen sich viele Menschen nicht testen und behandeln lassen. Immer noch herrscht die Annahme über die veraltete Verwendung von Interferon zur Behandlung der Hep-C. Diese war mit starken und unerfreulichen Nebenwirkungen verbunden und der Behandlungserfolg war gering. Es ist deshalb wichtig, das Wissen über die kurze (8-12 Wochen), erfolgversprechende (95%) und nebenwirkungsarme aktuelle Behandlung zu verbreiten, besonders bei Risikogruppen wie Drogengebrauchenden und Menschen in Haft.
Präventionsmittel endlich in die Haftanstalten!
Die Zielgruppe von Inhaftierten gilt es allgemein mehr mitzudenken, denn sie machen einen erheblichen Anteil der Infizierten aus, unter anderem durch die Weitergabe von nicht sterilem Spritzbesteck. Fehlende Präventionsmaßnahmen wie Spritzenautomaten oder Kondome in Haftanstalten und die hohe Zahl der drogengebrauchenden Menschen in Haft führen dazu, dass sich grade in Haft HCV immer weiter ausbreiten kann und die Inzidenz dort im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung überdurchschnittlich hoch ist.
NRW und Hessen kommen ins Handeln
Ende letzten Jahres wurde in zwei nordrhein-westfälischen und einer hessischen JVA ein Modellprojekt von den jeweiligen Justizministerien eingeführt, das sich der hohen Prävalenz entgegenstellen soll. Unter dem Titel „HCV-freie Gefängnisse“ werden in Bochum und Köln Neuzugänge intensiver und wiederholt hin zu einer Testung und bei reaktivem Ergebnis auch hin zu einer Behandlung beraten. Eine Behandlung kann nun direkt in der Justizvollzugsanstalt erfolgen und muss nicht mehr über das Justizvollzugskrankenhaus gesteuert werden, was ebenfalls die Hemmschwelle und den Arbeitsaufwand verringert. Das Projekt sieht zudem eine enge Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst vor, der auch den festen Teil der Rückfallprophylaxe gestaltet (in Bochum macht dies die externe Aidshilfe). So sollen Drogen- und somit ggfls. auch Infektionsrückfälle verringert werden. Die Ministerien haben dafür viel Geld zur Verfügung gestellt, sodass das Projekt keine Behandlungsdeckelung vorsieht.
Kritisch ist zu sehen, dass lediglich Neuzugänge dieses Test- und Behandlungsangebot erhalten und somit bereits inhaftierte Menschen mit HCV unbeachtet bleiben. Zudem sind Präventionsmittel bzw. -maßnahme nicht im Projekt enthalten. So kann HCV trotzdem weitergegeben werden und macht das Modellprojekt aus infektiologischer Sicht unvollständig. Ebenfalls ist nach dem ersten Bericht festzustellen, dass viele der Neuzugänge das Test- und Behandlungsangebot nicht annehmen. Oft fehlt das Vertrauen zur Justizmedizin und es mangelt an Wissen zur Behandlung. Es wäre sinnvoll, hier Aidshilfen in die Beratung miteinzubeziehen, um eine umfangreiche und unabhängige Beratungssituation zu schaffen. In der JVA Lingen und Tonna wird bereits durch Aidshilfen Beratung und Testung angeboten und gut angenommen.
Hepatitis bleibt ein Thema für Menschen mit Drogen- und Hafterfahrung und für sie sollte es abseits von Modellprojekten flächendeckende und standardisierte Test- und Behandlungsangebote geben, damit Menschen diese lebenswichtige und gleichzeitig unkomplizierte Behandlung erhalten können, um so langfristig das Ziel HCV-Elimination zu erreichen.